Beim Betrachten der Bilder von Rüdiger Schwamborn (Jahrgang 1964) trifft scheinbar Vertrautes auf Unbekanntes und Verstörendes. Die süßliche Ruhe des Klischees ist nirgendwo zu finden. Stattdessen tastet sich der Blick entlang der Farbkurven und Pinselstriche; er entdeckt Kratzer und Blasen, fängt Figürliches als scheinbar Bekanntes ein und mutmaßt an manchen Stellen der angebotenen Oberfläche einen verborgenen Untergrund. Die oftmals beziehungsreichen Titel der Bilder eröffnen eine weitere Dimension dieses Kunst-Raums. Sicher ist jetzt nichts mehr.

 

Schwamborns Bilder geleiten in die Tiefe von Räumen, die auch dem Künstler zuvor unbekannt zu sein schienen. Vielmehr sind sie das Resultat einer Suche, dessen Quelle eine eigene Unrast sein mag, ein Zweifeln am schönen Schein, eine Skepsis gegenüber einer allzu geglätteten Welt.

 

Diese Bilder sind nicht im Kopf, sondern erst auf der Leinwand entstanden. Die mit ihnen verbundene Suche nach dem geeigneten Ausdruck war sicherlich sowohl lust- als auch qualvoll, denn sie schloss Sackgassen und Zerstörungen ebenso mit ein wie energetische Schübe und das Finden des „richtigen“ Ausdrucks. Beendet war diese Suche für Schwamborn erst, als der „treibende Pinsel“ vom Künstler auch nicht mehr getrieben werden wollte. Er selbst nennt diesen gefundenen Zustand „Freiheit“, der sich sowohl im Prozess des Malens als auch im fertigen Bild manifestiert hat.  

 

Die Ergebnisse dieses Prozesses sind für den Künstler selbst oft überraschend.

Im glücklichen Fall teilt man diese Überraschung mit ihm und sieht Bekanntes im verfremdeten Kontext. In vielen Fällen geht diese Sichtweise mit einem (durchaus gewollt) ironischen oder auch schalkhaften Unterton einher; dann spielt die Kunst sogar mit dem Betrachter.

 

Seit einigen Jahren widmet sich Schwamborn der Fotografie. Auch hier finden sich Sichtweisen, die das Übersehene oder Achtlose ins Zentrum der Betrachtung rücken. Dann entdecken wir in den gekräuselten Wellen einer schlammigen Pfütze eine ganz andere Welt. Wer mutig genug ist zu sehen, verweilt – wenigstens für einen Moment – in einem Kosmos guter, weil freier Kunst.

 

 

Rainer Steinberg, 2012

 

 

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